Narzissten in der Geschäftsleitung
Eine aktuelle Studie der TU Dortmund und der Universität Erlangen-Nürnberg hat untersucht, ob Vorstände und Geschäftsführer, die einen narzisstischen Charakter haben, eine Vorliebe für Narzissten hegen. Für die Studie wurden über 11.000 LinkedIn-Profile analysiert. Das Ergebnis ist eindeutig: narzisstische CEOs berufen eher Narzissten in die Geschäftsleitung.
Gibt es viele Narzissten in der Geschäftsleitung? Die Technische Universität Dortmund und die Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg untersuchten die Inhalte und Bilder von und über Führungskräften. Beispielsweise sprach die Anzahl der von sich selbst geposteten Bilder für „Narzissmus“. Auch lange Texte über den Selbstdarsteller wurden dem Charakter eines Narzissten zugeordnet. Selbst wenn die Manager eine PR-Abteilung oder einen Assistenten mit der Veröffentlichung betraut hatten, sprachen die Attribute eine deutliche Sprache.
Zuverlässige Indikatoren für Narzissmus wurden fünf verschiedene Zeichen für Narzissmus herangezogen: Bilder, Texte, Erfahrungen, Skills und Auszeichnungen. Durch die Korrelation aller Elemente konnten Unterschiede deutlich gemacht und validiert werden.
Passen Narzissten in die Geschäftsleitung
Es ist beinahe selbstverständlich, dass jeder Top-Manager einen gewissen Narzissmus benötigt, ganz besonders in der Industrie, in Banken oder Versicherungen. Zu verantwortungsvoll (und mächtig) ist der Einfluss auf die Strategie, zu exponiert ist die Stellung, zu hoch-frequent die Fremdkontakte, zu wenig transparent die Loyalität der Mitarbeiter, als dass man sich einen „weichen“ Charakter leisten könnte.
Grundsätzlich hat die Evolution bei der Spezies Mensch narzisstische Züge oder auch Egoismus angelegt. In hoher Ausprägung ist der Narzissmus jedoch gefährlich. Nicht nur zeigen solcherart ausgeprägte Charaktere – ob männlich oder weiblich – eine deutlich höhere Wechselbereitschaft, auch Status und Einfluss ist der Zielgruppe sehr wichtig.
Narzissten in der Geschäftsleitung können eine Gefahr für Unternehmen und Gesellschafter sein, wenn diese narzisstisch getriebenen Führungskräfte nicht danach streben, sich vorbildlich zu verhalten. Empirisch erwiesen ist, dass Narzissten seltener Talente in den Reihen ihrer Mitarbeiter entwickeln und beispielsweise Compliance-Vorgaben als weniger wichtig bewerten. Kritisch wird der Narzissmus dann, wenn der Führungskraft oder auch dem Politiker Eitelkeit und Einflussnahme nicht ausreichen, sondern konkrete Vorteilnahme bis hin zur Bereicherung negative Konsequenzen für seinen Bereich oder gar die Belegschaft bzw. Gesellschaft und das Unternehmen mit sich bringen.
Die Persönlichkeitsausprägung darf nicht dominant werden, sonst agiert die Führungskraft zu risikofreudig, ist beratungsresistent und lehnt beispielsweise Selbständigkeit, Freiheit (Home-Office), Verantwortungsdelegation, Diversität oder sogar Demokratie ab. Für mittelständische Strukturen sind Narzissten dann gefährlich, wenn diese dazu neigen, insbesondere Menschen für sich zu gewinnen (oder an sich zu binden), die sich ihnen bereitwillig unterordnen.
Pro und Contra für Unternehmen
Insbesondere Unternehmen, Organisationen oder auch die Politik können Vorteile aus narzisstischen Anführern gewinnen, wenn Entscheidungsfreude, also Schnelligkeit und Veränderung benötigt werden. Insbesondere in Change- und Transformationsprozessen werden Reformen schneller umgesetzt. Nicht umsonst führen Narzissten oft autokratische Systeme. Als Beispiel kann man Russland, China aber auch Deutschland heranziehen. Als man eine wichtige 6-spurige Zufahrtstraße Moskaus renovieren musste, zog man hunderte Bagger, Fräsen, Planierraupen und Teermaschinen zusammen und sperrte die Straße für eine Nacht. Um 6 Uhr morgens konnte der Verkehr wieder fließen. In der Corona-Pandemie baute China mehrere Krankenhäuser über Nacht. Auch Gerhard Schröder konnte notwendige Reformen nur mit Hilfe seines narzisstischen Charakters durchsetzen und hat damit Deutschland „vom kranken Mann Europas“ befreit.
Narzisstische Charakterzüge haben also für Unternehmen sehr wohl positive Seiten. Werden schon bei der Einstellung oder Beförderung Entscheidungen objektiv getroffen und installieren Unternehmen Verhaltensregeln, z.B. pragmatische Unterschriftsregeln, oder verfügt ein Industrieunternehmen über kompetente Kontrollgremien, dann kann der narzisstische Vorstand oder Geschäftsführer ein großer Gewinn sein. Auf der mittleren Führungsebenebene kann Coaching oder Feedback helfen, Narzissten frühzeitig auf ein problematisches Verhalten hinzuweisen. Insbesondere in Einstellungsprozessen sollten sich Gesellschafter, Aufsichtsräte und CEOs externe Unterstützung durch erfahrene Personalberater oder Psychologen beiziehen. Wenn Vorstände und Geschäftsführer wenig selbstkritisch nach Bauchgefühl entscheiden, führt eine subjektive Beurteilung zu einer Fehlbesetzung. Top-Manager überschätzen sich sehr häufig selbst, so dass sie bei Besetzungsentscheidungen oder Beförderungen unbewusst weniger fachkompetente bis unpassende Führungskräfte auswählen.
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